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Schwedens Öl: Erz und Holz

  • Erik Thyselius
  • 24. Okt. 2012
  • 5 Min. Lesezeit


Mit nur 9 Millionen Einwohnern gehört Schweden zu den kleineren Populationen Europas. Aber das dünn besiedelte Land ist reich an etwas anderem: Hier findet man Millionen Hektar Wälder und Millionen Tonnen Rohstoffe. Durch nachhaltige Rohstoffsicherung, harte Arbeit, eine hundertjährige Ingenieurstradition und durch Innovationsfähigkeit hat die Branche die Strukturkrise der 70er Jahren bewältigt. Schweden gehört heute zu den wichtigsten Rohstoffproduzenten der EU. Keine Frage: Unternehmen wie SCA, LKAB und SSAB gehören ebenso zur schwedischen Wirtschaftsseele wie H&M, Ericsson oder IKEA. In einer Zeit der Eurokrise und Unsicherheit steht die Rohstoffindustrie stabil da. Eine starke Nachfrage aus der EU und vor allem aus China hat zum Erfolg der Branche beigetragen. Nachwachsender Exportschlager Die riesengroßen Wälder sind ein Wahrzeichen Schwedens. Aber sie sind nicht nur Touristenattraktion und Ort der Entspannung: die Forstwirtschaft ist mit der Zelllstoff-, Papier- und Holzindustrie einer der größten und wichtigsten Wirtschafszweige Schwedens. Die Branche beschäftigt fast 60.000 Menschen. Zusammen mit Finnland führt Schweden die technische Entwicklung des Industriezweigs an, und Forschungsinstitute in Schweden spielen eine wichtige Rolle in der europäischen forstwissenschaftlichen Forschung. Der Holz- und Papierhandel leistet einen relevanten Beitrag zum Exportüberschuss Schwedens. 2008 wurden Holz und Papier für gut 12 Milliarden Euro exportiert, die entsprechenden Importe beliefen sich auf nur 3 Milliarden Euro. Gut 85 % der Zellstoffe und Papiere sowie 70% aller Holzprodukte werden exportiert. Der Hauptmarkt ist Deutschland: 2010 wurden 2 Millionen Tonnen Papier und 0,8 Millionen Tonnen Zellstoff hierhin exportiert. Riesig im Wortsinn: SCA

SCA (Svenska Cellulosa AB) wurde 1929 vom schwedischen Finanzgenie und „Streichholzkönig“ Ivar Kreuger durch den Zusammenschluss zehn kleinerer Betriebe gegründet. Das Unternehmen ist der größte private Waldbesitzer Europas und verfügt über unvorstellbare 2,6 Millionen Hektar Wald, das entspricht der Hälfte der Niederlande. SCA entwickelt, produziert und verkauft heute Hygiene-, Papierund Holzprodukte in der ganzen Welt. Magnus Groth, Europageschäftsführer für SCA Consumer Goods, erzählt im Gespräch mit Schweden aktuell: „SCA ist in mehr als einhundert Ländern tätig. 2011 arbeiteten etwa 37.000 Menschen bei uns und unser Umsatz lag bei gut 12 Milliarden Euro.“ Groth sieht beste Perspektiven für die weitere Entwicklung, nicht zuletzt aufgrund der Globalisierung, des steigenden Wohlstands in vielen Entwicklungsländern und der älter werdenden Bevölkerung in den Industrieländern. „Ein höherer Lebensstandard und steigender Verbrauch von Hygieneprodukten hängen eng zusammen“, erklärt Groth. „Hygieneprodukte kommen in einem Entwicklungszyklus früh ins Spiel; sie gehören zu den ersten Dingen, die gekauft werden, wenn das verfügbare Einkommen steigt.“ Ein Beleg dafür, dass SCA ein echter Global Player ist, sind die regionalen und lokalen Innovationszentren. „Letztes Jahr eröffneten wir ein Innovationszentrum in China, um unsere Kenntnis des chinesischen Markts zu stärken und regionale Produktangebote zu entwickeln“, sagt Groth. SCA hat letztes Jahr mehrere wichtige Akquisitionen realisiert. Dazu gehörte der Erwerb des europäischen Tissuegeschäftes von „Georgia-Pacifics“ für gut 1,32 Milliarden Euro. „Das ist das größte Geschäft in der Geschichte des Konzerns“, erklärt Groth; SCA sei damit nun das zweitgrößte Hygieneunternehmen der Welt.

In Deutschland sind besonders die Marken „Tempo“, „Tena“, „Tork“, „Danke“ und „Zewa“ bekannt. „Im Jahr 2011 trug der deutsche Markt etwa 15% zum SCA-Umsatz bei“, erzählt Groth und erklärt, dass SCA gut 30% am deutschen Hygienepapiermarkt hat – und ca. 6.000 Angestellte. „Außer einem Büro in München für fünf unserer Geschäftsbereiche haben wir vier Fabriken, die Hygienepapier herstellen, in Kostheim, Mannheim, Neuss und Witzenhausen“, sagt Groth. Montanindustrie: Der Schatz des Nordens Der reiche Felsboden, besonders in den nördlichen Landesteilen Norrbotten und Lappland, bildet die Grundlage für die schwedische Grubenerfolgsgeschichte. Schon im 13. Jahrhundert gab es eine Grubentätigkeit in Schweden. Heute ist die Montanindustrie weltweit führend in Technik und Forschung. Das auch in Deutschland bekannte „Falunrot“ ist ein Beispiel dafür, wie die Gruben zum festen Bestandteil des Schwedenbildes geworden sind. Die Farbe ist eigentlich ein Nebenprodukt der Kupferherstellung aus der „Falu Kuppergrube“ in Dalarna. Doch die rotbraune Farbe ist nicht nur ein erprobtes Holzschutzmittel, sie ist zum untrennbaren Teil der schwedischen Volksseele geworden, ein weltbekanntes Symbol für Schweden. Die Montanindustrie ist lebenswichtig für kleine Städte wie z.B. Kiruna, Gällivare und Pajala. Fast alle Menschen in diesen Orten haben eine Verbindung mit der Industrie, was natürlich das Leben geprägt hat. Die Geschichten der Gruben sind die Geschichte der Städte. Doch die Bergwerke sind auch für die gesamte Nation von einer kaum zu überschätzenden Bedeutung. Laut der schwedischen Geologiebehörde SGU produzierte Schweden 2010 mehr als 90% des Eisenerzes der EU. Deswegen ist es kein Wunder, dass Schweden auch ein großer Eisenhersteller ist. 2011 wurde etwa 4,9 Millionen Tonnen Eisen hergestellt, der Exportwert lag bei rund 6,6 Milliarden Euro. Auch hier ist Deutschland der wichtigste Exportmarkt und Handelspartner. Die Grubenindustrie steht naturgemäß in enger Relation zur Stahlindustrie. Auch die schwedische Stahlindustrie kam in der Strukturkrise der 70er Jahre fast ganz zum Erliegen. Mit der Entscheidung, auf hochwertigen Stahl in kleineren Mengen zu setzen, schaffte die schwedische Stahlindustrie eine erfolgreiche Wende und ist heute in diesem Segment wieder weltweit erfolgreich. Mit Qualitätsstahl auf Erfolgskurs: SSAB

Eine Reaktion auf die Strukturkrise war der Zusammenschluss von fünf Firmen zur SSAB im Jahr 1978. Heute hat das Unternehmen 9.000 Angestellte in 45 Ländern. Karl Gustav Ramström, technischer Direktor und Mitglied der Konzernleitung: „SSAB gehört zu den führenden Lieferanten von hochfestem Stahl. Mit unserem Stahl können die Kunden leichtere und zugleich stabilere Produkte herstellen als mit Standardstahl. Mit unseren hochfestem Stahl werden z.B. Kräne leichter, Lkw-Ladeflächen stärker und Container stabiler.“ Für die Branche als Ganzes sieht Ramström Herausforderungen und Möglichkeiten. Die weltweite Nachfrage nach Stahl sei groß und die Stahlindustrie spiele beim Aufbau und der Entwicklung eines Landes immer eine zentrale Rolle, erklärt Ramström. „Eine Herausforderung ist jedoch die Tatsache, dass die Stahlindustrie sehr energieintensiv ist und große Rohstoffressourcen benötigt. Gleichzeitig ist Stahl ein Material, das recycelt und immer wieder verwendet werden kann. Eine Konstruktion mit unserem dauerhaftem Stahl braucht zudem weniger Stahl als eine entsprechende Konstruktion aus traditionellem Stahl.“ Dies sei eine Chance für SSAB, weil die effektive Nutzung der Ressourcen und die Umweltaspekte immer wichtiger für Kunden auf der ganzen Welt werden.

SSAB habe jüngst eine Auszeichnung ausgeschrieben, den „Swedish Steel Prize“, der innovative Konstruktionen aus hochhaltbarem Stahl belohne. „Die große Anzahl an Bewerbern aus 26 Ländern zeigt uns, wie hoch das Interesse an hochqualitativem Stahl auf der ganzen Welt ist“, berichtet Ramström. Letzes Jahr gewann dieser Mähdrescher von John Deere die Auszeichnung. Ein Wirtschaftszweig, der wie die Montanindustrie gut 20% des schwedischen Exportvolumens ausmacht, steht natürlich auch im Fokus der Politik. Die Regierung teilte kürzlich auf einer Pressekonferenz in Kiruna mit, dass von 2013 bis 2017 gut 400 Millionen Euro in Grubeninfrastruktur und Forschung investiert werden sollen. Die Investitionen betreffen vor allem den Ausbau von Eisenbahnen und Straßen für die Eisenerztransporte. Ministerpräsident Reinfeldt brachte es auf den Punkt: „Die Bergbauindustrie ist für Schweden, was das Öl für Norwegen ist. “

 
 
 

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