Das Modewunder geht weiter
- Admin
- 23. Feb. 2015
- 6 Min. Lesezeit
Von Peter Ma
rx Schon lange sind Schweden beliebte und erfolgreiche Trendsetter, wenn es um Modisches geht. Als sich schwedische Designer seit dem Jahr 2000 immer öfter weltweit Aufmerksamkeit verschafften und sich neue Marken wie Filippa K dauerhaft etablierten, sprach man gar vom „schwedischen Modewunder“. Es ist gelungen, diesen Schwung nachhaltig zu nutzen, denn die schwedische Modeindustrie expandiert weiter, nicht zuletzt in Deutschland. Ganz offensichtlich ist gerade der deutsche Markt besonders attraktiv für die Schweden. H&M z.B. macht gut ein Drittel seines weltweiten Umsatzes hier. Woran könnte das liegen? Schweden achten sehr auf ihren Stil und geben viel Geld für Kleidung aus – das sorgt für ein Klima, in dem immer wieder interessante Marken entstehen. Aber der Heimatmarkt ist klein, und nach den skandinavischen Nachbarn ist Deutschland der im Wortsinn nächstliegende Markt. Gerade auch die kulturelle Nähe macht Deutschland zum idealen Expansionsgebiet für Marken, die sich in Schweden eine gesunde Basis geschaffen haben.
Weitere Zahlen untermauern die positive Entwicklung: 2012 beschäftigte die Modebranche in Schweden mehr als 54.000 Menschen und setzte gut 24 Milliarden € um, davon gingen 14,5 Milliarden € in den Export. Neben dem stark wachsenden Onlinehandel haben auch die klassischen Vertriebswege zugelegt. Besonders dynamische Wachstumszahlen verzeichnen viele kleinere Label. Die sind auch ganz typisch für die Branchenstruktur: 96 % aller Betriebe haben weniger als 10 Angestellte, und nur 0,1 % beschäftigen mehr als 250 Mitarbeiter. Ein typisches Beschäftigungsmuster der Kreativwirtschaft. Dennoch bestimmen ein paar Großkonzerne die Branche; jeder dritte Angestellte der Bekleidungsindustrie ist hier beschäftigt. Alleine H&M steht mit einem Umsatz von gut 12,7 Milliarden € für mehr als die Hälfte der gesamten schwedischen Bekleidungsindustrie, wobei davon etwa 95 % auf den Export fallen (Zahlen 2012).
Der Gigant und sein Verfolger: H&M und Gina Tricot
Ganz besondere Bedeutung hat Deutschland für den Giganten H&M, der mit 87.000 Mitarbeitern in 53 Ländern in einer Liga für sich spielt. Mit 346 Filialen in Deutschland erwirtschaftete der Konzern hier 2013 einen Umsatz von etwa 4 Milliarden €, gut ein Viertel des weltweiten Umsatzes. Schon 1980 begann H&M seine Erfolgsstory in Deutschland und ist heute eine der bekanntesten Marken überhaupt. Im Marketing gab sich das Unternehmen dabei immer global; eine besondere schwedische Profilierung wurde stets vermieden.
Das Erfolgskonzept von H&M, attraktive Mode preiswert anzubieten, hat auch Gina Tricot schnell wachsen lassen, wobei man sich ausschließlich auf weibliche Kundschaft konzentriert. Seit dem Start 1997 wuchs das Familien¬unternehmen in Skandinavien zu respektabler Größe und erwirtschaftete mit gut 180 Filialen 2012 einen Umsatz von gut 240 Millionen €. In Deutschland betreibt Gina Tricot inzwischen 11 Geschäfte. Vergleicht man dies mit den Umsatz¬zahlen von H&M, darf man auf den weiteren Expansionskurs in Deutschland also gespannt sein.
Auch Kriss, bereits seit 1993 in Deutschland aktiv, ist mit gut 40 Kriss-Filialen, fast ausschließlich in Karstadt- oder Kaufhof-Häusern, in Deutschland stark vertreten. Die Zielgruppe ist weiblich und schätzt das nordische Feeling und das oft von schwedischen Landschaften inspirierte Design.
Jung und Cool
Viele junge Hip-Marken sind in den vergangenen fünfzehn Jahren entstanden und rasch gewachsen; gleich drei von ihnen sind inzwischen Teil des H&M - Konzerns. Seit 2008 ist die jugendlich unkonventionelle Damenmarke Monki mit Bekleidung und Accessoires Teil der H&M-Gruppe. Monki war 2005 gegründet worden und eröffnete 2006 drei Ladengeschäfte in Stockholm. Eigene Monki-Lagengeschäfte existieren mittlerweile in China, Dänemark, Deutschland, Finnland, Frankreich, Hongkong, Norwegen, Russland, Schweden und den Niederlanden. Cheap Monday erschien 2004 auf dem schwedischen Markt; nur 10 Jahre später findet man die Marke in 1800 Geschäften in 35 Ländern. Auch Weekday gehört zu H&M und ist in Deutschland meist in gemeinsamen Lokalen mit Cheap Monday zu finden. Neuester Markenzuwachs ist die 2013 für Damen auf den Markt gebrachte Marke & other Stories, die in Deutschland mit einem Ladengeschäft in Köln vertreten ist.
Ebenfalls dezidiert jung, cool und sehr individuell gibt sich Acne, das seinen ersten Store in Deutschland 2005 in Berlin eröffnete; zwei Jahre später folgte eine Filiale in Hamburg. Acne startet als Jeansmarke, stellt inzwischen aber komplette Kollektionen bis hin zu Schuhen, Unterwäsche und Accessoires her. Der Name soll übrigens nicht an Hautunreinheit erinnern, sondern steht als Akronym für "Ambition to Create Novel Expressions".
Bereits seit 2000 gibt es WeSC, eine „Streetwear-Brand“ mit Wurzeln in der Skaterszene. Sehr bekannt wurde die Marke mit ihrer „WeActivists“ Kampagne: Erfolgreiche hippe, imagestarke Menschen aus unterschiedlichsten Bereichen tragen die WeSC Kleidung und wirken als laufende Werbung. Erhältlich ist die coole Marke aktuell in 232 Geschäften bundesweit.
Etwas teurer
Im etwas höheren Preisniveau bietet Tiger of Sweden Eleganz für die eher klassisch Modebewussten. Tiger of Sweden hat mit Düsseldorf und Berlin zwei Standorte in Deutschland Tiger of Sweden bietet drei Marken für verschiedene Zielgruppen, Tiger of Sweden Men, Women und Tiger Jeans.
Im letzten Herbst eröffnete Stenströms einen ersten Flagship-Store in Hamburg, nachdem sich der Vertrieb über Partner in der Vergangenheit sehr gut entwickelt hatte. Stenströms stellt Herrenhemden, Damenblusen, Strickwaren, Krawatten, Schals und Boxershorts her. Anders Bengtsson ist der aktuelle Geschäftsführer und Eigentümer des Unternehmens, bereits seit 1981 ist das Unternehmen im Besitz seiner Familie. Die Gründung des Labels liegt allerdings schon ein paar Jahre mehr zurück: 1899 rief der schwedische Schneider August Stenström die Marke in Helsingborg in Leben. Seitdem hat sich das Label stetig vergrößert und wird heute in 20 Ländern vertrieben. Eigene Stores gibt es bislang jedoch nur in Schweden, Dänemark und jetzt Deutschland. „Hanseatisches Modebewusstsein und skandinavisches Stilempfinden ergänzen sich hervorragend“, begründet Bengtsson die Entscheidung für den Standort Hamburg.
Mit Kollektionen für Männer und einer Mischung zwischen Fashion und Sport ist J. Lindeberg seit dem Start 1997 sehr populär geworden. Die Marke findet man in vielen Mode- und Sportgeschäften bundesweit.
Filippa K ist seit 2002 in Deutschland vertreten. Der O-Ton zur Zielgruppe formuliert im schönsten Branchenjargon: „Die Filippa K Frau ist stark und selbstbewusst, sie versucht, die ideale Balance zu finden zwischen Karriere, Kindern, Beziehungen und ihren eigenen Bedürfnissen. Der Filippa K-Mann ist relaxed und selbstbewusst. Er will Outfits, die ihn als modernen, urbanen Mann mit Stil kennzeichnen, ohne ihn als Fashion Victim zu outen.“ Filippa K setzt offenbar stark auf Hauptstadtpräsenz: drei Filialen betreibt die Marke in Berlin, eine in Düsseldorf. Dagegen wurden die Läden in Hamburg und München geschlossen.
Eine ganz andere Zielgruppe als die hippen jungen Marken spricht die Designerin Gudrun Sjödén an, die bereits auf 34 erfolgreiche Jahre in Deutschland zurückblickt und deutschlandweit 160 Mitarbeiter beschäftigt. Die Gudrun Sjödén GmbH plant 2015 u. a. mit einem Konzeptstore in Österreich zu expandieren. Angesprochen werden „Frauen jeden Alters und mit jeder Figur, farbstark, unverwechselbar, naturverbunden.“ Konzeptstores gibt es in Berlin, Frankfurt, Hamburg (feiert dieses Jahr 10jähriges Jubiläum), Köln, Nürnberg (feiert dieses Jahr 25jähriges Jubiläum), München, Stuttgart und am Firmensitz Zirndorf sogar ein Outlet. Doch besonders stark ist Gudrun Sjödén im Versandhandel, der für 70 % des Umsatzes steht. Ebenfalls mit ganz eigenem, weiblichem Stil ist seit einiger Zeit Ewa i Walla dabei, sich ein Fanpublikum in Deutschland aufzubauen; engagierte Händler(innen) wie das „Luise1870“ in Wuppertal leisten da oft wertvolle Pionierarbeit. Denn auch wenn Onlinehandel viel ermöglicht, was früher unmöglich war: die Atmosphäre eines Ladenlokals und die Möglichkeit zum zwanglosen Anprobieren sind nicht zu ersetzen.
Outoor und Sport
Angesichts der schwedischen Friluftsliv-Kultur wundert es nicht, dass auch einige Outdoor-Marken sehr erfolgreich auf deutschen Markt mitmischen. Eine der ersten war Fjällräven, das mit seinem klassischen Rucksack und dem berühmten Bergfuchs-Logo eine ganze Generation prägte. Als zweite große schwedische Outdoormarke mit klarem Bekleidungsschwerpunkt begann Haglöfs 2003 in Kempten im Allgäu. „Der Standort war bewusst so gewählt“, erzählt Herbert Horelt, Geschäftsführer Haglöfs Deutschland, „nicht nur verkehrstechnische und infrastrukturelle Interessen wurden berücksichtigt, sondern auch die Nähe zu den Bergen ist gegeben. Schließlich baut der Erfolg des Unternehmens vor allem darauf, dass die konsequent outdoor-orientierte Philosophie nicht nur kommuniziert, sondern intensiv gelebt wird.“ Haglöfs ist nach eigenen Angaben die größte Outdoormarke Skandinaviens. Peak Performance wurde 1986 im populären Skigebiet Åre gegründet. Hinter der Marke stehen bekannte schwedische Skiläufer. Sie wollten Produkte herstellen, die sie als Sport- und Naturliebhaber selbst gern tragen. Zum Programm von Peak Performance gehört Bekleidung für Skilaufen, Golf, Training und Outdoor. Daneben gibt es auch eine „Urban-Collection“ mit legerer Freizeitkleidung.
Nun hat auch Schwedens größte Sporthauskette Stadium den deutschen Markt für sich entdeckt. Das Unternehmen, das bislang mit rund 150 Filialen in den skandinavischen Ländern vertreten ist, wagt damit erstmals die Expansion außerhalb ihres angestammten Aktionsradius’ in Schweden, Dänemark und Finnland. Eröffnet hat der Sport-Filialist im letzten Herbst ein rund 1.800 Quadratmeter großen Flagship Store in Hamburgs Mönckebergstraße, der sich über zwei Etagen erstreckt. Damit kam Stadium unter die Top 3 des deutschen Wettbewerbs „Store of the Year“ in der Kategorie „Out of Line“. Stadium richtet sich mit seinem Konzept vor allem an Frauen und Familien, ein Unterscheidungsmerkmal zu deutschen Wettbewerbern. Im Frühjahr 2015 eröffnet Stadium eine zweite Filiale ebenfalls in Hamburg. Stadium gilt als die größte Sporthauskette der nordischen Länder in Privatbesitz. Der Konzern beschäftigt rund 3.200 Mitarbeiter. Das Unternehmen, das 2012/13 einen Umsatz von 700 Millionen Euro erzielte, gehört den Brüdern Ulf und Bo Eklöf mit ihren Familien und der Ikano-Gruppe, die sich im Besitz der Familie Kamprad befindet, den Gründern von IKEA.

Indiska eröffnete 2014 einen ersten Shop in Hamburg
Gut zu Fuß: Vagabond und Happysocks Auch wer gut beschuht durchs Leben gehen möchte, kann auf eine schwedische Marke zurückgreifen: Vagabond gibt es bereits seit 15 Jahren in Deutschland. Neben zwei marke
neigenen Vagabond Stores in Berlin und Köln ist Vagabond im Fachhandel von Görtz bis Zalando bestens vertreten. Mit frechen Socken macht derzeit Happysocks.com Furore. Die Erfolgsstory begann eigenen Angaben zufolge „unter dem bewölkten Aprilhimmel eines typisch schwedischen Frühlingstags im Jahre 2008. Die Vision: einen alltäglichen Gegenstand in ein farbenfrohes Designerstück zu verwandeln und Freude zu verbreiten.“ Anders gesagt: Es gibt ein Paar hochwertiger Socken für jeden Anlass, jede Stimmung und jeden Stil. Heute werden Happy Socks in über 70 Ländern und auf jedem Kontinent verkauft. Bunt und wachstumsstark: Kinderkleidung Auch im Bereich Kinderkleidung, der nicht nur bei H&M eine wichtige Rolle spielt, gibt es immer mehr interessante Marken. Erfolgreich etabliert hat sich in den letzten Jahren die Marke me&i , deren Vertrieb nach einem kometenhaften Aufstieg in Skandinavien auch in Deutschland ausschließlich über Hauspartys läuft. Eine ganze Reihe von Kindermarken hat Viola Ljungman „eingesammelt“ und vertreibt sie mit ihrer Firma Swestars an den Einzelhandel. Hierzu gehören die farbenfrohen, umweltbewussten und individuellen Marken Villervalla, Nova Star, Shampoodle und LiandLo. Über das Land verteilt finden sich immer wieder einzelne Fachgeschäfte, meits mit angeschlossenem Onlinehandel, so das „Jättefint“ in Köln oder das „Lillahopp“ in Berlin. Viele Kindermarken entstehen aus dem Milieu kreativer Designerinnen und Werbefrauen, die als junge Mütter aus dem gewohnten Beruf aussteigen und eine ganz neue Kariere als Unternehmerin beginnen. Und manchmal wachsen die Marken dann schneller al die Kinder...
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