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Gleichberechtigtes Schweden: Bitte keine Selbstzufriedenheit

  • Autorenbild: Admin
    Admin
  • 3. Juni 2015
  • 4 Min. Lesezeit

Schweden gilt als vorbildlich in der Gleichberechtigung der Geschlechter. Doch Selbstzufriedenheit wäre fatal: das Land ist im internationalen Ranking gerade drei Plätze abgesunken

Durch eine Regierung, die sich selbst feministisch nennt, und durch eine Ministerin für Gleichberechtigung, die internationale Preise für Gleichberechtigung erhielt, kann man leicht beeindruckt werden, wie gut Schweden in Hinsicht auf Gleichberechtigung ist. Schweden wird, zusammen mit den anderen nordischen Ländern, oft als typisches Beispiel für die Gleichberechtigung hervorgehoben. Die Schweden stellen sich oft als gleichgestellt dar und wollen gern ein gutes Beispiel sein. Aber wie ist es eigentlich? Ist Schweden wirklich so gleichberechtigt, wie man denkt? Viele kommt zum Stichwort Gleichberechtigung in Schweden gleich das Bild eines Vaters, der mit einem Kinderwagen spazieren geht und sich um die Kinder kümmert. Besonders geprägt hat dieses Bild vielleicht der Photograph Johan Bävman, der eine Fotoserie mit schwedischen Vätern gemacht hat, die mit den Kindern zu Hause bleiben (http://www.johanbavman.se/swedish-dads). Oder vielleicht hast du auch schon davon gehört, dass es in Schweden ein neues geschlechtneutrales Personalpronomen gibt, das „Hen“ heißt. Man benutzt es anstelle von „Han“ (er) oder „Hon“ (sie) und es ist weder männlich oder weiblich. Diese Beispiele führen dazu, dass Schweden wie ein wirklich gleichberechtigtes Land erscheint. Foto: martin Svalander/imagebank.sweden.se Aber die Tatsache, dass Schweden niemals eine weibliche Ministerpräsidentin hatte, ist vielleicht ein Hinweis, dass Schweden nicht so gleichgestellt ist, wie man erst denken mag. In den letzten Jahren ist Schweden gar auf der internationalen Rangliste herabgestiegen. Schweden, das früher auf dem ersten Platz des Global Gender Gap Index war, ist jetzt nun auf Platz vier. Das ist vielleicht nicht schlecht, aber in allen Teil-Rankings ist Schweden nun schlechter als vorher. In den Gebieten Bildung und Gesundheit ist Deutschland sogar „gleichgestellter“ als Schweden. Eine andere internationale Untersuchung zeigt, dass in Schweden 62% und in Deutschland 58% der Frauen meinen, dass sie mit Männern gleichgestellt sind und sie die Freiheit haben, ihre Träume und Ambitionen zu verwirklichen. Hier ist der Unterschied zwischen Deutschland und Schweden nicht sehr groß. Allerdings meinen in Schweden 85% der Frauen und Männer, dass es soziale, politische und wirtschaftliche Ungleichheiten zwischen Männern und Frauen gibt. In Deutschland sind nur 61% dieser Meinung. Könnte es vielleicht sein, dass Schweden doch nicht so gleichberechtigt ist, wie man denkt bzw. wie die Schweden es selbst von sich denken? Vor einem Jahr wurde von der schwedischen Regierung eine Untersuchung vorgestellt, die die Entwicklung der Gleichberechtigung zwischen Frauen und Männern in den letzten Zehn Jahren analysieren sollte. Die Leiterin der Untersuchung, Cecilia Schelin Seidegård, schrieb in einem Artikel für den Internationalen Frauentag: „Schweden ist in den internationalen Ranglisten gesunken, und meine Untersuchungsergebnisse lesen sich derzeit nicht sehr positiv. Es ist an der Zeit, das Image Schwedens als Paradies der Gleichberechtigung herauszufordern.“ Die Entwicklung stehe still bzw. ginge nur langsam vorwärts und in einigen Punkten ginge sie sogar rückwärts, meint Schelin Seidegård. Deshalb wird die schwedische Regierung dazu aufgefordert, aufzuhören darauf zu vertrauen, dass man in Bezug auf die Gleichberechtigung am besten ist. Es solle ein für alle Mal wirklich damit begonnen werden, für die Gleichberechtigung zu arbeiten. Die Regierung hat ein langen Weg vor sich bis das Ziel erreicht ist. „Frauen und Männer sollen die gleiche Macht haben, um ihr Leben und die Gesellschaft zu gestalten.“, lautet dies. Männer haben immer noch die Dominanz in Machtpositionen in der Politik, dem Staat und besonders in der schwedischen Wirtschaft. Schweden hat keine Frauenquote in der Wirtschaft, wie man sie in Deutschland eingeführt hat. Auf dem Arbeitsmarkt gibt es eine starke Geschlechteraufteilung und erheblich mehr Frauen als Männer arbeiten in Teilzeit. Mehr Frauen arbeiten auch im Öffentlichen Sektor, in welchem traditionelle weibliche Berufe wie Lehrerin oder Krankenpflegerin dominieren. Oft sind diese Berufe auch schlecht bezahlt. Der Lohn für Frauen beträgt im Durchschnitt 93.500 schwedische Kronen weniger pro Jahr als für Männer. Schweden war das erste Land, das 1974 Elternschaftsurlaub, anstatt Mutterschaftsurlaub einführte und es gibt zwei Monate Zweckbindung nur für die Männer (bald werden es drei Monaten sein). Aber trotzdem sind es immer noch die Mütter, die am meisten mit den Kindern zu Hause sind. 75% des Elternschaftsurlaubes wird immer noch von den Müttern genommen. Frauen machen auch allgemein mehr die unbezahlte Hausarbeit, im Durchschnitt eine Stunde pro Tag mehr als Männer. Diese Faktoren haben eine negative Auswirkung auf Karriere, Einkommen, Pension und Gesundheit der Frauen. Foto: cecilia_larssongender/Imagebanksweden.se

Natürlich ist die Entwicklung mit der Zeit positiv und würde man 30-50 Jahre zurückschauen, hat sich die Gleichberechtung heutzutage wirklich enorm verbessert, aber inzwischen geht die Entwicklung einfach zu langsam voran. Auch unter den Schweden herrscht teilweise Unzufriedenheit. In der Wahl 2014 war die feministische Partei F! nicht weit von der 4-%-Sperre des Reichstags entfernt. Vielleicht könnte man das als Zeichen sehen, dass Schweden eine Veränderung in der Arbeit für Gleichberechtung braucht. F! meint, dass sie als Partei das schwedische Selbstimage als Land der Gleichberechtigung herausfordert. Auch in den Medien wird die Gleichberechtigung viel debattiert. Manche Leute meinen, dass Schweden mehr für die Gleichberechtigung tun muss und andere, die wiederum ganz anderer Meinung sind. Diese Debatte ist oft sehr gefühlsgeladen. So ist Schweden vielleicht doch nicht so gleichgestellt wie man denkt oder wie die Schweden es von sich denken. Klar, dass Schweden eines der Spitzenländer ist, aber man sollte vielleicht ein bisschen vorsichtig sein, bevor man Schweden als ein Land darstellt, indem alles gut und gleichgestellt ist. Auch Schweden hat noch viel zu tun bevor es ein wirklich gleichgestelltes Land ist.

 
 
 

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