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Der Elch: König des Waldes oder der Deutschen liebstes Knuffeltier?

  • Therese Sörman, Friederike Rummeni
  • 8. Okt. 2015
  • 6 Min. Lesezeit

„Die schärfsten Kritiker der Elche waren früher selber welche“. Solche und ähnliche Sprüche („Ich glaub, mich knutscht ein Elch“) zeugen ebenso von der besonderen Beliebtheit der Großhirschart in Deutschland wie das unüberschaubare Sortiment an Elch-Devotionalien. Man könnte locker ein Museum damit füllen. Was ist das mit dieser Liebe der Deutschen zum Elch? Und wie denken die Schweden eigentlich darüber? Unsere Redakteurinnen Therese Sörman (Schwedin) und Friedrike Rummeni (Deutsche) haben sich dazu mal ihre Gedanken gemacht:

Teil 1,Therese: Elchjagd als Teil der Landeskultur

In Schweden wird oft darüber gescherzt, dass die Deutschen unsere Elch-Schilder stehlen und Elch-Kot in

Dosen als Souvenirs kaufen. Möglicherweise ist da etwas dran… Der Elch ist ein exotisches Tier und auch für die Schweden faszinierend. Wenn Schweden ein Nationaltier hätte, würde es unbedingt der Elch sein. Im Königreich Schweden gibt es zwei Könige: Carl XIV Gustaf, klar, aber der mächtigere König ist der Elch. Der König des Waldes. Natürlich ist der König des Waldes auch gekrönt. Das Schaufelgeweih des Elchs wird auf Schwedisch „die Krone“ genannt. Der majestätische Elch ist die größte heute vorkommende Art der Hirsche und es ist nicht so überraschend, warum wir von diesem Tier fasziniert sind.

Die Jagd

Foto: Imagebank Sweden

Die Elchjagdsaison beginnt jedes Jahr am Anfang des Herbsts, aber mit Unterschieden zwischen den Landesteilen. Denn ich bin auf dem schwedischen Land aufgewachsen und habe viele Erfahrungen, was die Jagd bedeutet. Mein Vater ist Jäger wie meine Großväter und alle meine Onkel. Die Jagd und insbesondere die Elchjagd ist für sie heilig. Niemand darf diese Tradition stören oder ändern. Jedes Jahr dieselbe Prozedur: das Gepäck und Mittagessen packen. Lange Gespräche am Telefon: Was kann so wichtig sein, dass man so viele Stunden am Telefon davon sprechen muss?

Die erste Woche der Elchjagd nehmen viele Jäger Urlaub. 300.000 Jäger sind es im ganzen Land. Am Premierentag beginnt die Jagd morgens früh und dauert bis zur Abenddämmerung. In seltenen Fällen liegt bereits am ersten Tag der Jagd hoher Schnee , aber sicher ist, dass es sehr kalt ist. Vor und nach der Jagd gibt es viel Arbeit: Die Hochsitze zu bauen und reparieren. Wenn ein Tier geschossen wird, muss das Tier transportiert und geschlachtet werden.

Früher auch in Deutschland heimisch

Der Elch besiedelte ursprünglich große Teile von Deutschland. Der europäische Elch (Alces alces alces) war früher auch in Mitteleuropa weit verbreitet, zu Beginn des Mittelalters erstreckte sich der Lebensraum des Elchs von den Alpen. Tatsächlich ist es so, dass schon Julius Caesar über den germanischen Elch gesprochen hat. Über den Germanen-Exkurs in Julius Caesars „Gallischem Krieg“ steht geschrieben: „Ihnen ist die Gestalt und die Färbung von Ziegen ähnlich, aber in der Größe übertreffen sie sie ein wenig, ihre Hörner sind verstümmelt und sie haben Beine ohne Knöchel und Gelenke.“

Große Kreatur

Elchbullen wiegen rund 500 kg und sind bis 220 cm in der Widerristhöhe. Die Elchkühe sind leichter und wiegen zwischen 275 und 375 kg. Die Bullen tragen das charakteristische Schaufelgeweih, daher ist es einfach die Kühe und Bullen zu erkennen. Das Schaufelgeweih wiegt bis 20 kg und die Zahl der Eckzähne variiert. In Schweden besteht die Elchpopulation heute aus 300 000 bis 400 000 Tieren. Ein wunderliches Phänomen gibt es nur, soweit wir wissen, in der schwedischen Provinz Värmland.

Dort können weiße Elche beobachtet werden. Das weiße Fell ist ein Defekt, sie sind also nicht Albinos.

Vorsicht auf den schwedischen Wegen! Ein Autounfall mit einem Elch kann wegen der langen Beine und massigen Körper tödlich sein. Der Begriff Elch-Test wurde Ende 1997 in Deutschland erfunden, nachdem eine Mercedes-Benz A-Klasse bei einem Test durch Journalisten in Schweden umkippte. Mit dem Begriff Elchtest wird auch ein Kollisionstest des Fahrzeugs mit einem „Elch“ bezeichnet, den zum Beispiel Volvo durchführt.

Nicht jeden Tag werden Elche gesichtet, aber die Möglichkeit Elche zu schauen, gibt es immer in einer Vielzahl von Elchparks (Målilla, Virum, Skullaryd,Gårdsjö, Grönåsens), die Elch-Safaris und Souvenirs anbieten. Vermutlich kann ebenso Elch-Kot da gekauft werden. Touristen können in einem Alkoholmonopolgeschäft (Systembolaget) Alkoholgetränke mit Elch-Abbildung kaufen. Auf den Elch könnte mit dem Bier „Swedish Elk Brew“ oder dem „Elkschnaps Jaktbitter“ angestoßen werden.

Warum jagen?

Oft hat unser Vater sich bei uns Kindern beklagt, weil wir nicht Jäger wurden und kein Interesse daran hatten. Elchjagd bedeutet lange Zeit still sitzen und viele Stunden zu warten, um ein Tier zu erblicken. Meine Geschwister und ich haben dagegen unseren Vater gefragt: Warum jagen? Wir haben dies nicht wirklich verstanden. Ist es doch nicht gefährlich, die Tiere zu töten? Die Antwort lautete oft, dass die Ruhe und die Stille die Belohnung waren. Wichtiger sind wahrscheinlich insgesamt die Jagdgesellschaft und das Naturerlebnis.

Was ist mit den deutschen Elchen passiert?

Im Zweiten Weltkrieg wurden die letzten deutschen Elche in Ostpreußen getötet. Nach dem Zweiten Weltkrieg war der Elch ausgerottet. Ab und zu wandert einen Elch aus Polen oder Tschechien nach Deutschland ein, es ist heute nicht ungewöhnlich. Vielleicht können Sie, liebe Leser, sich an den zweijährigen Elchbulle „Knutschie“ erinnern? Die Geschichte des Elchs wurde auch eine Nachricht in Schweden. Er kam den ganzen Weg aus dem Osten nach Hessen, aber da wurde sein Leben auf der Autobahn beendet. Die Elche brauchen große Wälder, deswegen ist Deutschlands Klima nicht optimal für ein ruhiges Leben des Elchs. Die Elche sind jedoch eine Erinnerung an das, was einmal war und was gewesen sein könnte.

Teil 2, Friedrike: Ich glaub, mich knutscht ein Elch! Die deutsche Perspektive...

Gibt man bei Amazon den einfachen Suchbegriff „Elch“ ein, stößt man auf so manch ungewöhnlichen Treffer. Dort finden sich neben Kuscheltieren und Wintersocken auch mit Elchen bedrucktes Toilettenpapier, ein Weinglas mit Nase und Geweih sowie lebensgroße Tiere zur Weihnachtsdekoration im Vorgarten. Insgesamt 1.712 Produkte!

Quelle: Amazon.de

Doch was finden wir Deutschen an diesen Waldbewohnern niedlich und witzig? Viele assoziieren wohl mit ihnen die Weihnachtszeit, dabei sind es Rentiere und keine Elche, die den Schlitten des Weihnachtsmannes ziehen. Vielleicht liegt es aber auch an den Strickpullovern oder Socken mit Stern-Elch-Mustern, die im Winter getragen werden. Was wiederum daran liegt, dass die Länder, in denen sie zuhause sind, wie Schweden, Norwegen oder Kanada mit Schnee und Eis verbunden werden.

Ein weit verbreitetes Bild ist auch der Elchkopf als Jagdtrophäe über dem Kamin oder Sofa. Mittlerweise kann man Elch- oder Hirschköpfe und Geweihe als Dekoration für die Wand in den unterschiedlichsten Variationen kaufen. Aus Plastik in den buntesten Farben oder als Stofftier mit gläsernen Kulleraugen zieren sie die Wohnzimmer. Selbst Tierpelz-Gegner, die in Großstädten wohnen, hängen diese Plastikköpfe an ihre Wände. Für diesen Dekorationszweck werden allerdings häufiger Rentier- oder Hirschgesichter genutzt. Scheinbar werden an ein Dekostück das von längerer Dauer ist andere ästhetische Ansprüche gestellt, als an eins das für zwei bis drei Monate in der Weihnachtszeit aufgestellt wird. Denn zu Weihnachten findet man Motive wie dickliche Elche mit bunten Strickschals auf Schlitten. Alltagsgegenstände wie Hausschuhe oder Kirschkernkissen werden auch bevorzugt mit lustigen Elchgesichtern verziert.

In dem Gesicht eines Elchs ein Lachen zu sehen, fällt jedenfalls leichter als in denen seiner Artgenossen von der Großhirschzunft. Der Elch hat eine wulstige Oberlippe und eine dicke, runde Nase. Er wirkt ein wenig plump und unbeholfen. Ein Hirsch, oder Rentier dagegen sieht mit seinen feinen Gesichtszügen und ohne die Hautfalte am Hals anmutig und leichtfüßiger aus. Auch das Geweih des Elchs ist klobiger und weniger verzweigt als die anderer Hirsche. Darin könnte einer der Gründe für die lustigen Dekofiguren und Kuscheltiere mit dem breiten Grinsen liegen.

Comicheld Hälge

Einer der bekanntesten Elche ist „Hälge“, eine Comicfigur des schwedischen Zeichners Lars Mortimer. Hälge hat lange dünne Beine und ist immer deprimiert. Er beklagt sich über sein zu kleines Geweih, hat Pech in der Liebe und verbringt seinen Tag damit, vor Jägern zu fliehen. Die Comicstrips von Mortimer erscheinen in mehreren schwedischen Tageszeitungen und seit zwei Jahren gibt es eine eigene Zeitschrift des Comichelden. 1998 erschien sogar ein Taschenbuch „Hälge. Auf’s Korn genommen. Ein Elchpocket.“. Hier in Deutschland sind die Merchandising Produkte von und mit Hälge sehr bekannt, von T-Shirts bis hin zu Schnapsgläsern.

Nordis-Werbung aus den 80ern.

Disneys Elche

Ein weiterer Aspekt könnten die Elche aus Kinderfilmen sein. In der deutschen Weihnachtskomödie „Es ist ein Elch entsprungen“ (2005), nach dem gleichnamigen Buch, ist der Elch „Mr. Moose“ ein tollpatschiger lieber Freund des Weihnachtsmannes, der einem Jungen hilft sich gegen seine „Mobber“ durchzusetzen. Andere tendenziell dümmliche Elche kennen wir aus „Bärenbrüder“ (2003) und „Die Eiskönigin – völlig unverfroren“ (2014). In beiden Disney-Produktionen sind die Elche nicht besonders schlau, aber treu und hilfsbereit. Sie bedienen die Rolle des witzigen Freundes, der sich vom einen in den nächsten Schlamassel bringt. Sie rutschen auf zugefrorenen Seen aus, bleiben mit ihrer Zunge an Eiszapfen hängen oder verheddern sich mit ihren langen dünnen Beinen. Im Film „Bärenbrüder“ fallen die Elche allein durch ihre nuschelnde Art zu sprechen auf, die der großen markanten Oberlippe geschuldet scheint. Somit haben wohl auch die Amerikaner einen Narren an diesem Tier gefressen. Alle Film-Elche tragen, ihrer Herkunft geschuldet, nordische Namen, aber den ihnen in Schweden oder Norwegen zugetragenen Charakter des majestätischen „Königs des Waldes“ haben sie nicht.

Die liebenswerten Eigenschaften der Zeichentrick-Elche stammen womöglich auch daher, dass ein von Menschen aufgezogener Elch in seinem Verhalten eher einem Hund gleicht, als anderen Hirschen. Er verhält sich dann sehr zahm und zutraulich. Außerdem wirkt er durch die Form seiner Schnauze keineswegs gefährlich oder aggressiv. Er lässt sich leicht verniedlichen und ziert somit aus Plüsch nicht nur Kinderzimmer, sondern auch Hausschuhe und Wärmeflaschenbezüge. Es scheint als sei der Elch nicht nur als Aufkleber auf dem Auto ein Beweis für den letzten Schwedenurlaub, sondern für viele auch das tierische Sinnbild eines tollpatschigen, aber großherzigen guten Freundes.

Habt Ihr witzige Elchbilder, Sprüche, Geschichten für uns? Dann schickt sie uns doch gern an info@nordis.biz! Takk!

 
 
 

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