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Onlinehandel: Der große Wandel

  • Therese Sörman
  • 19. Okt. 2015
  • 5 Min. Lesezeit

Unterschiede zwischen Deutschland und Schweden

Haben Sie heute schon etwas im Internet bestellt? Zu den großen Umwälzungen des digitalen Zeitalters gehört der Onlinehandel. Die deutschen Verbraucher, sind diesem Trend besonders verfallen: Deutschland liegt im weltweiten Vergleich auf Platz fünf hinter den USA und China. Keine Frage: die Ära des Onlinehandels hat gerade erst begonnen.

Noch macht der Online-Einzelhandel nur einen relativ geringen Teil des gesamten Handels in Deutschland und Schweden aus. Überraschenderweise ist der Anteil prozentual im technikverliebten Schweden niedriger als in Deutschland. Vielleicht liegt das daran, dass der in Deutschland dominierende Anbieter amazon auf dem schwedischen Markt nicht aktiv ist. Experten meinen, dass sich das bald ändern könnte, amazon hat nämlich 2014 einen Vertrag mit der schwedischen Verlagsdatenbank „Bokrondellen“ unterzeichnet. Auch heute ist es schon möglich, in Schweden Waren von Amazon aus Großbritannien oder Deutschland zu bestellen. In Deutschland arbeiten mehr als 12.000 Menschen für den Marktführer, der die Vision verfolgt, alle nur denkbaren Produkte über eine Seite anzubieten. amazon punktet bei den Verbrauchern durch sehr kurze Lieferzeiten, wird aber immer wieder für schlechte Arbeitsbedingungen kritisiert.

Auch die Schweden kaufen immer öfter online. Die Voraussetzungen sind optimal: 92 % der Haushalte haben Internetzugang. Aktuelle Untersuchungen zeigen: 35 Prozent der Schweden im Alter zwischen 18-79 Jahren kaufen jeden Monat regelmäßig online. Die Sektoren, die den höchstens Umsatz verzeichnen, sind: Haushaltselektronik, Kleidung und Schuhe sowie Bücher und Medien. Für diese Branchen gibt es eine Menge populärer Webseiten: cdon.com und dustinhome.se bieten Haushaltselektronik an. Nelly.com, Ellos.se, Bubbleroom.com, Boozt.com, Stayhard.com sind Seiten für Mode und Bekleidung. Adlibris.com und bokus.com verkaufen Bücher. Die schwedischen Online-Shops sind im Hinblick auf ihr Sortiment spezialisierter, nicht Generalisten wie amazon oder otto.de, die alles anbieten von A bis Z.

Image Bank Sweden

Auch das in Deutschland so erfolgreiche Ebay sucht man übrigens in Schhweden vergeblich. Nach misslungenen Etablierungsversuchen kaufte Ebay dort lieber den schwedischen Platzhirschen tradera.com, das sein eigenes Design bewahrt hat.

Deutsche shoppen online mehr als Schweden

Der Verkauf des schwedischen Einzelhandels im Internet wurde im Jahr 2014 um 16 Prozent gesteigert. Postnords Prognose für den schwedischen Onlinehandel wird einmal pro Quartal publiziert und präsentiert einen Umsatz von 4,3 Milliarden Euro, das bedeutet 6,4 Prozent des Gesamtumsatzes des schwedischen Einzelhandels. Die Prognose für den Onlinehandel in Schweden für das Jahr 2015 zeigt eine weitere Erhöhung und einen geschätzten Umsatz von 7 Prozent des schwedischen Einzelhandelsumsatzess. Das ist immer noch unter dem europäischen Durchschnitt von 7,7 Prozent. Im Jahr 2014 wurden in Deutschland 42 Milliarden Euro im Onlinehandel umgesetzt, d. h. 10 Prozent des deutschen Gesamthandelsvolumens. Der erwartete Zuwachs des Onlinehandels im Jahr 2015 zeigt in Deutschland 23 Prozent im Vergleich zu 16 Prozent Zuwachs in Schweden.

Online-Einkauf im Ausland

Bemerkenswert: Ein großer Teil der schwedischen Einkäufe - etwa 40 Prozent (!) - wird in ausländischen Online-Shops bestellt. An der Spitze der populärsten Länder liegen Großbritannien, USA und auf dem dritten Platz Deutschland. Beliebte Shopping-Seiten stammen aus Deutschland, wie z. B. Zalando und Bonprix. Der aufsteigende Onlinehandel bedeutet daher auch einen Boom für den internationalen Logistikmarkt. Die großen Logistiker wie DHL, Schenker, dpd oder Postnord wachsen mit dem Markt und widmen dem Onlinehandel grösste Aufmerksamkeit. Siehe dazu unser Portrait der Postnord-Tochter Direct Link auf den Folgeseiten.

Lebensmittel

50 der ICA-Lebensmittelmärkte betreiben bereits einen eigenen Versandhandel. Lebensmittel und Alltagsartikel stellen gegenwärtig noch einen kleinen Bereich im Onlinehandel, es wird aber ein explosiver Zuwachs prognostiziert. Auch hier ist der Handel längst international: so bietet der Onlineshop Onfos in Zusammenarbeit mit ICA mit großem Erfolg die Möglichkeit, in Deutschland schwedische Lebensmittel zu beziehen. Anbieter wie schwedenmarkt.de bieten schon seit Jahren schwedische Lebensmittel und verzeichnen ebenfalls ein kontinuierliches Wachstum. Spezialist für skandinavische Spirituosen ist der Rostocker Vesandhändler www.balticseaspirit.de .

Auch komplette Mahlzeiten lassen sich online ordern, in Schweden ist das Thema „Kochbox“ allerdings erfolgreicher als in Deutschland. Die Box enthält z.B. die Zutaten und Rezepte für die Mahlzeiten einer Woche und wird nach Hause geliefert. So spart man sich das tägliche Überlegen und Einkaufen, kocht aber dennoch frisch. Verschiedene Webseiten in Schweden bieten dies an: mathem.se, linasmatkasse.se, coop.se.

Wer noch von der Branche profitiert

Neben der Logistik entstehen im Umfeld des Onlinehandels auch im Service und in der Technologie ständig neue Arbeitsplätze und Geschäftsmodelle. Dazu gehören Konzepte, den Handel für Kunden und Händler reibungslos zu organisieren. So trat das schwedische Unternehmen Klarna vor zehn Jahren mit der Geschäftsidee an, das Bezahlverfahren im Netz einfacher zu gestalten und ist heute einer der größten Anbieter in der Branche. Der schwedische Neuling Tictail wurde 2011 gegründet. Er bietet eine kostenloses Shopsystem für Händler und zugleich eine Shopping-Plattform für Verbraucher. Das Angebot zielt also auf Startups und kleine Versandhändler, die unkompliziert einen Online-Shop eröffnen möchten. Inzwischen haben das mehr als 35.000 Startups genutzt. Auch Online-Preisvergleiche gehören zu den Angeboten, die im Umfeld des Onlinebooms entstanden sind. Schon 1999 wurde Pricerunner in Schweden gegründet. Das Preisvergleichportal hilft, unabhängig Preise zu vergleichen. Wer zum Beispiel eine bestimmte Marken-Waschmaschine kaufen möchte, kann auf pricerunner.de das Angebot von mehreren Anbietern auf einen Klick vergleichen. Die Händler zahlen dafür eine Monatsgebühr und einen Preis pro angeklicktem Produkt.

EU: Gewaltiges Arbeitsplatzpotential durch den digitalen Binnenmarkt

Noch gibt es Hindernisse auf dem digitalen Binnenmarkt der EU, die den Zugang zu Waren und Dienstleistungen hemmen, Internetunternehmen und Startups begrenzen. Die EU-Kommission hat im Mai 2015 eine digitale Strategie veröffentlicht: Der EU-Binnenmarkt müsse endlich fit für das digitale Zeitalter gemacht werden. Die 28 nationalen Märkte müssten zu einem einzigen zusammengeführt werden, der regulierungsbedingte Barrieren beseitigt. Dadurch könnten jährlich über 400 Milliarden Euro generiert und Hunderttausende neue Arbeitsplätze geschaffen werden. Der Präsident der Europäischen Kommission Jean-Claude Juncker erklärte, Europa zum digitale Weltmarktführer machen zu wollen.

Umweltauswirkungen

Shopping im Netz oder im Laden, was belastet die Umwelt mehr? Um dies zu beurteilen, muss vor allem der jeweilige Logistik- und Verpackungsaufwand analysiert werden. Ein Vorteil beim Onlinehandel sind die gemeinsamen Lieferungen, d.h. der Verbraucher braucht nicht das eigene Auto zu benutzen; ein Lieferwagen beliefert zahlreiche Kunden mit einer Fahrt. Doch in der Realität schicken die Verbraucher ihre Pakete in Massen wieder zurück. Aktuelle Zahlen zeigen, dass in bestimmten Segmenten des Onlinehandels mindestens jedes zweite Paket wieder zurück geschickt wird. Die Kunden bestellen drei Hosen, um sie anzuprobieren, und schicken zwei wieder zurück. Jedes verschickte Paket verursacht dann zusätzliche CO2-Emmissionen.

Viele Logistikfirmen bieten auch einen taggleichen Versand oder eine Expresszustellung gegen Mehrpreis an, weil die Kunden ihre Ware möglichst sofort haben wollen. Dieser Service ist jedoch umweltschädlich, weil unterschiedliche Waren nicht zusammengeführt werden können und damit mehrteilig versendet werden müssen. Die LKW sind deswegen oft nicht voll beladen. Viele Händler verpacken zudem ihre Waren zu voluminös. So sind mehr Fahrten notwendig, weil die Pakete viel Platz einnehmen. Die Waren werden auch oft stückweise verpackt.

Insgesamt zeigt eine Untersuchung der Universität Lund, dass Personen, die online kaufen, nicht weniger oft auch in die realen Geschäfte gehen (bzw. fahren) als Personen, die nicht online kaufen. Oft wird auch im Ladenlokal die Ware probiert und später ein bisschen billiger online bestellt. Keine Frage: Der Onlinehandel ist eine Belastung für die Umwelt und hat hier noch viel Optimierungspotential.

Herausforderung für die Stadtplanung

Der wachsende Trend zum Onlinehandel ist also ambivalent. Er macht das Leben in vielfacher Hinsicht leichter und eröffnet großen und kleinen Händlern ungeahnte Vertriebsmöglichkeiten. Es entstehen viele Arbeitsplätze: bei den Händlern, in der Logistik und bei technischen Anbietern im Umfeld der Branche. Andererseits belastet er die Umwelt und bedroht den stationären Einzelhandel und das urbane Flair der Innenstädte. Gerade letzteres ist eine Problematik, die wir alle in den kommenden Jahren sehen werden. Sie erfordert intelligente neue Ansätze und wird sicher den Immobilienmarkt in den Innenstädten und Stadtteilen stark beeinflussen. Hier müssen auch Vermieter die Realitäten anerkennen, bevor es zu spät ist und ganze Straßenzüge leer stehen. Die Ära des Onlinehandels hat gerade erst begonnen? Das wird spannend – in Deutschland und in Schweden.

 
 
 

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