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Schwedische Gartenkultur: Naturnah, nützlich, minimalistisch

  • Erik Andersson
  • 21. Apr. 2017
  • 3 Min. Lesezeit

Es ist Frühjahr und es scheint, als gäbe es in Deutschland nur noch Werbung für Gartenprodukte. Die Prospekte und unzähligen Gartenmagazine zeigen üppige, sorgfältig arrangierte Gärten. Es gibt einen kleinen Kiesweg, eine genau ge-schnittene Hecke, aufwändige Sitzgruppen und die obligatorischen Rhododendren. Manchmal kann man auch ein spielendes Kind sehen. Die Bilder zeigen den deutschen Gartentraum. Noch nie haben mehr Deutsche in Städten gelebt und noch nie haben Deutsche so viel für Gartenprodukte ausgegeben. Der Umsatz im deutschen Gartenmarkt lag 2016 bei über 18 Milliarden Euro. Die 20 größten deutschen Unternehmen im Gartenbereich zählten insgesamt 2.799 Gartencenter auf einer Gesamtverkaufsfläche von 5,3 Millionen Quadratmetern. Dazu kommen Land- und Gartenmessen mit immer neuen Besucherrekorden. Und auch schwedische Firmen mischen kräftig mit: Husqvarna ist als Pio-nier der Rasenmäherroboter und mit Motorsägen erfolgreich und hat schon vor Jahren die deutsche Traditionsmarke Gardena übernommen.

Schlossparks und Schrebergärten

Doch wie sieht es mit der Gartenkultur in Schweden aus? Henrik Bohlin vom Schwedischen Gartenverein „Riksförbundet Svensk Trädgård“ berichtet, dass auch in Schweden Millionen Menschen einen großen Teil ihrer Freizeit dem Gärtnern widmen. Abgesehen von Parks und besonderen Schlossgärten sind die schwedischen Gärten jedoch meist viel naturnäher als die deutschen. „Historisch betrachtet gab es die Zier- und Repräsentationsgärten des Adels – und die bäuerlichen Nutzgärten“ erklärt Bohlin. „Die schwedischen Schlossparks aus dem 17. Jahrhundert nahmen Inspirationen aus Frankreich, Deutschland und England auf. Aus klimatischen Gründen fielen die Gärten allerdings etwas einfacher aus; dafür waren sie flächenmäßig oft größer. Für das Gros der

Bevölkerung dienten Gärten aber immer der Ernährung.“ Das galt auch für die Ende des 19. Jahrhunderts auf Initiative des Leipziger Arztes Moritz Schreber entstehende Bewegung der Kleingartenkolonien, die in Schweden schnell Nachahmer fand. Die Industriearbeiter in den dicht gedrängten Städten erhielten hier die Möglichkeit, ein Stück Land zu kultivieren; zur Erholung an der frischen Luft, vor allem aber zur Ergänzung der Lebensmittelversorgung. 1916 gab es in Schweden 37 Koloniegärten und allein in Stockholm 6.000 aktive Schrebergärtner; heute gibt es im Land gut 300 Schrebergartenanlagen, die sich auch bei jungen Leuten großer Beliebtheit erfreuen. Seit den 1950er Jahren hat die Bedeutung des Gemüse- und Obstanbaus nachgelassen, die Gärten dienen nun auch der Erholung und Begegnung.

Natürlichkeit und Nutzen

Dennoch: Schwedische Gärten sollen auch heute ein wesentliches Kriterium erfüllen: Nützlichkeit. Ob Obst, Kräuter oder Gemüse, sofern der Platz und natürlich auch die Zeit zur Pflege vorhanden sind, werden so viele Nutzpflanzen wie möglich angebaut. Ansonsten sind die Gärten zumeist geprägt von natürlicher Schönheit und einem gewissen laissez faire. Penibel gestutzte Rosen, ein akkurat getrimmter „englischer“ Rasen, von allen Wildpflanzen säuberlich reingehaltene geharkte Rabatte oder gar der Einsatz von Kunstdünger gehören nicht zum schwedischen Stil. Und genau darin liegt heute auch für viele Deutsche der Reiz: Aufgrund des nur begrenzten Eingriffs in die Natur und des Verzichts auf chemische Hilfsmittel können die Pflanzen ungestört wachsen und sich in ihrer wahren

ursprünglichen Pracht entfalten. Für Zierpflanzen im schwedischen Garten gilt: Je vielfältiger, desto besser! Denn die Blumen bilden die akzentuierenden Farbtupfer in dem sonst schlicht gehaltenen Gartenstil. Dabei sind robuste Pflanzen wie Stauden, Buschwindröschen, Hortensien und Klematis vorherrschend, damit alles im Sinne der nordischen Naturbelassenheit ohne viel Pflegeaufwand natürlich vor sich hin gedeihen kann. So wird dem Garten von ganz alleine durch den Lauf der Natur das Flair des Ursprünglichen verliehen. Bei den Nutzpflanzen darf neben Obstbäumen, Beerensträuchern oder einem Gemüsebeet ein klassischer kleiner Kräutergarten nicht fehlen. Denn dieser bedarf nur eines geringen Pflegeaufwands, nimmt nicht viel Platz weg und wird für das Kochen der täglichen Mahlzeiten auch am meisten gebraucht.

Gesucht: Schwedens hässlichster Garten

Der typische schwedische Garten ist zwar naturbelassen, aber keinesfalls verwildert. Robuste Baumsorten wie die Eiche oder die Kastanie und heimische Sträucher unterstreichen die (oft nahtlos übergehende) Nähe zur nordischen Wildnis, es gibt sogar eine regelrechte Kultur des „Waldgartens“.

Natürlich spielt auch das Garteninventar eine wichtige Rolle. Es ist meist filigran und schlicht. Ein klarer, klassischer, beinahe schon kühler Stil, dessen Charme gerade diese bodenständige Zweckmäßigkeit ausmacht. Elementare Materialien wie Holz oder Stein dominieren, die sich fließend in das naturbelassene Ambiente einfügen. Farblich wird gern mit weißem Lack ein Kontrast gesetzt, auch das klassische falunrot ist beliebt.

Die Naturnähe der schwedischen Gärten hat natürlich auch ganz pragmatische Gründe. Da ist zum einen die recht kurze Vegetationsperiode. Zum anderen verbringen viele Schweden den schönsten Teil des Sommers in ihren Sommerhäusern – auf dem Land. Dort sind die Gärten meist naturbelassene Waldgärten – wer sollte sie auch das ganze Jahr über pflegen? Und zu Hause muss der Garten in dieser Zeit ohne aufwändige Pflege selbst klarkommen.

Dennoch beobachtet Henrik Bohlin auch in Schweden einen Trend zu „europäischeren“ Gärten. Die Wirtschaft bemüht sich nach Kräften, die Schweden in die Gartenzentren zu locken und den Umsatz zu steigern. So suchten die Firmen Stihl und Viking letztes Jahr „Schwedens hässlichsten Garten“, um den Gewinner dann von trauriger Ödnis in ein blühendes Paradies zu verwandeln. Wirtschaftlich betrachtet kann also noch viel wachsen in der schwedischen Gartenbranche.

Ein Beitrag aus Schweden aktuell, dem Magazin der Schwedischen Handelskammer, www.schwedenkammer.de

 
 
 

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