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Ein Wochenende im Heringsfieber

  • Filip Westerlund
  • 28. Juni 2017
  • 6 Min. Lesezeit

Auf Marstrand bei Göteborg wird der Hering jedes Jahr mit einem kulinarischen Wettstreit gefeiert. Unser Autor Filip Westerlund war für das Nordeuropamagazin.de dabei…

Der Horizont und der Ozean haben fast die gleiche Farbe, dass ist mein erster Eindruck, als ich von der Fähre gehe und meine ersten Schritte auf dem felsigen Kai mache. Vor mir stehen ein paar asiatische Touristen unter einem Regenschirm zusammen, obwohl es nur etwas Sprühregen gibt. Am Kai stehen noch Leute mit Leiterwagen, womit die Gäste ihr Gepäck zu einem Hotel oder vielleicht ihrer Ferienwohnungen nehmen können.

Neben der Farbe des Horizont und des Meeres ist mein anderer Eindruck von Marstrand die Luft. Sie schemckt sauber und frisch, salzig und mit dem Geruch nach Meer. Dann als ich mich umschaue: Eine kleine Stadt, eine Kirche, Kopfsteinpflaster. Marstrand ist die größte Insel im Schärengürtel Göteborgs und liegt im Norden des Skagerraks. Wann Marstrand besiedelt wurde, ist unklar, aber schon 1291 wird Marstrand in einem französischsprachigen Dokument erwähnt. Hier, wo die evangelische Kirche heute steht, stand einmal ein Franziskanerkloster.

Es war auch im 13. Jahrhundert, dass es entdeckt wurde, dass die Fischvorkommen hier besonders reich waren. Der damals norwegische König erhielt auch eine Erlaubnis des Papstes, der sagte, dass die Leute auf Marstrand auch an Wochenenden fischen dürfen, wenn es für notwendig erachtet wurde. Die erste und größte dokumentierte Heringszeit gab es zwischen 1556 – 1589; es wird geschätzt, dass etwa 15.000 Menschen hier in die Umgebung wohnten, wo die Stadt Marstrand der Hauptstützpunkt des Fischens war. Dann folgten mehr Heringszeiten, die eine Branche um die Fischerei entstehen ließen. Unter anderem öffneten sich etwa 300 Salterien und man fing auch an, das Öl vom Herring zu nutzen – den Heringstran. Der Tran, der auf den Kontinent exportiert wurde und in den Straßenlampen Europas im 19. Jahrhundert glühte. Es ist auch der Herring, der im Zentrum dieses Wochenendes stehen wird. Auch wenn die großen Heringszeiten heute vorbei sind, ist der Hering ein wichtiger Bestandteil des schwedischen Nahrungsmittel- und Kulturerbes. Das – touristische - Herringwochenende wird im siebten Jahr in Folge arrangiert - und das Interesse scheint vielleicht nicht großartig, aber stabil zu sein.

Das Wochenende wird um 12:00 Uhr eingeweiht, aber schon um 10 ist der Lärm auf den Straßen und Plätzen hörbar. Wir fangen mit einem echten schwedischen "Fika" im Café Bergs an. Das Café „Bergs“ ist ein wahrer Stammplatz der Einheimischen in Bohuslän. Bergs Konditorei stammt aus den 1920er Jahren und das Haus, in dem Bergs heute ist, hat Gäste wie die Nobelpreisträgerin Selma Lagerlöf und denn berühmten Kunstsammler Pontus Fürstenberg gehabt. Nach einem Kaffee auf Bergs erkunden wir die Insel, eine Runde, die ca. 45 Minuten dauert. Hier sind die Szenen "atemberaubend", obwohl das Wetter sich als abwechslungsreich erweist. Ich werfe ein Auge auf die Uhr und merke, dass es Zeit ist, zur Eröffnung des Wochenendes zu gehen – die Heringe müssen gegessen werden.

Das Kungälvs Orchester spielt, und die Kungälvs Cheerleadinggruppe tanzt

im Rhythmus dazu. Der als historischer Sternkommandant auftretende Eiwe Swanberg ergtreift das Wort: "In den Lampen auf den Pariser Straßen gab es fast nur Heringöl von unserer Umgebung und Marstrand, der seit vielen Jahren leuchtete und wenn die Exporte gemessen werden sollten, könnten wir die Cheops Pyramide in Ägypten füllen." Die Rede von Eiwe endet mit einem Salutschuss von den beiden Marschällen, mit dieser Zeremonie haben nun also die Feierlichkeiten angefangen. Die Männer marschieren zurück zu der Festung Carlsten, das Gebäude, dass diese kleine hölzerne Stadt seit Jahrhunderten schützt.

Nun bekomme ich einen "Sillpass", mit dem ich insgesamt 11 Restaurants besuchen kann, um Hering zu probieren. "Sie fangen am besten umgekehrt an!" sagt ein Mann mittleren Alters. Ich folge seiner Empfehlung, um das Warten und die Menge von heringprobierenden Menschen zu vermeiden.

Die erste Station ist das „Sozietätshaus“ Marstrands. Draußen steht eine anspruchsvolle Statue, die Oscar II zeigt. Oscar II verbracht viel Zeit seines Lebens hier, und die riesigen Villen rund um das „Sozietetshaus“ gehörten seinem Gefolge, zum Beispiel seinem Privatarzt. Heute ist das Gemeinschaftshaus auf der Insel ein Party-Veranstaltungsort, den man mieten kann. Der Hering des Sozietätshaus ist überraschenderweise ganz unklassisch: ein „Caesar Hering“, eingelegt in Caesardressing sind. Dieser Hering schmeckt nicht wie der Hering, den ich kenne, aber er schmeckt besser als ich gedacht habe. "Wir versuchen, neuartig zu sein, und in diesem Fall haben wir wirklich eine gute und originelle Idee gekriegt." Sagt der Kellner des Sozietätshaus. Mit meinem ersten caesarsill im Magen gehen wir weiter zum Grand Hotel Marstrand. Hier erschallt der Ruf "SILL IN DILL!", was Hering in Dill bedeutet. Das schmeckt mehr „heringmäßig“ als der Caesarhering und aufgrund der Blicke der anderen Leute, würde ich diesen Hering hier im Wettbewerb als erfolgreicher einschätzen. Die nächste Haltestelle ist Bergs Café und Konditorei - genau, wo wir früher klassischen Kaffee getrunken haben. Hier wird der Hering mit Rüben und auf einem dänischen Roggenbrot serviert. Ich fühle schon, dass ich bald satt werde, aber trotzdem geht es weiter zu Arvidsons Fischladen, wo ich sofort von dem norwegischen Akzent der charismatischen Besitzerin entzückt werde. "Die Hering kommt wie ich und Arvidsons Gründer, aus Norwegen", sagt die Norwegerin Thale Tveken Arvidson. „Wir sind aus Tönsberg gekommen, und das Rezept ist ein Geheimnis, aber drinnen haben wir auf jeden fall Senf!" Vielleicht ist es der norwegische Akzent, vielleicht ist es der schnelle, frische kleine Hering der ich gleich bekommen habe - in jedem Fall ist das Ergebnis von Arvidsons Fisk wunderbar.

Weiter geht es zu Lasse-Maja-Haken, Marstrands Deli und Shanti Shanti. Jetzt bin ich doch ein bisschen verwirrt – sind die Hering schlechter hier, oder bin ich nur satt? Die Geschmackserlebnisse vermischen sich, und diese kleinen Fischchen faszinieren mich nicht mehr ganz so wie vorher. Eine Pause ist nötig. Nach Stunden auf der Probe und einem Nachgeschmack von verschiedenen Heringen beenden wir den Tag und nehmen unser Abendessen bei Marstrands Wärdshus, wo der Lachs und die Aussicht dort sich fast ein bisschen zu gemütlich anfühlen. Später hören wir die Klänge des nächsten Events - den Übergang zum (ganz ruhigen) Nachtleben auf der Insel - "Nach Hering-Rock" bringt uns Rock-Klassiker von verschiedenen Coverbands zum bescheidenen Nachtleben Marstrands.

Am Sonntag öffnem am Wochenende des Herings die gleichen Restaurants, aber heute warte ich auf die Fähre, die mich nach „Koön“ (oder direkt übersetzt zur „Kuh Insel“) bringen soll. Auf Koön liegt das größte Hotel Marstrands, das Meerhotel. Hier wird der Hering parallel zum bekannten Wochenendbüffet serviert, das in diesem Stadium ehrlich gesagt noch etwas attraktiver ist als Hering. Die letzte Station für die Reise und auch den Aufenthalt auf dieser Seite des Wassers beenden wir mit einem würzigen Chili Hering von Hamnkrogen. Mittlerweile werden die Vorurteile des schwedischen Sommerwetters bestätigt. Es ist völlig überwältigend, während wir auf der windigen Fähre sind. Der Inselregen ist aggressiv, aber bald endet der Sturm und hinterlässt einen bewölkten Nieselregen, der sich für den Rest des Tages breitmacht. Es ist auch im Nieselregen, dass wir bei Johans Krog den letzten Hering essen. Hier bekommen wir im Kontrast zu dem scharfen Hering von Hamnkrogen einfach einen leckeren Fisch in wunderschöner Umgebung, als die Sonne wieder zurückkommt. Den Besitzer von Johans Krog, der auch natürlich Johan heißt, treffen wir bald wieder, als der Gewinner gekrönt werden soll.

Das Heringsrennen ist zu Ende und wir warten zusammen auf der Terrasse von Marstrands Wärdshaus mit ein paar tapferen Hering-Fans auf die Organisatoren, die bald die Krönung des Heringmeister vornehmen werden. Inzwischen lernen wir Sara und Markus kennen, die direkt aus Örebro (Mittelschweden) hierher gekommen sind. "Wir sind jedes Jahr hier und das Wetter war immer top". Sara fährt fort: "Es ist wirklich eine Katastrophe, dass das Wetter gerade so schlimm geworden ist, denn die Heringe haben dieses Jahr wirklich ein hohes Niveau gehalten. Wenn das Wetter besser wäre, hatten wir locker 100 mehr Menschen hier auf der Krönung gesehen." So wie Sara sagte, ist es eine nasse Ansammlung von Menschen die gerade im Wärdshaus sitzen, um einen Sieger zu sehen. "Es ist wirklich spannend in diesem Jahr, niemals war es so eng wie hier auf dem Podium, und insgesamt gibt es nur 6-10 Stimmen von euch, um jeden Teilnehmer zu unterscheiden". Das Ergebnis dieses ursprünglichen schwedischen Wettkampfes sehen wir unten. Mein persönlicher Lieblingshering, Arvidsons Fisch ergattert einen dritten Platz. Den zweiten Preis bekommt Svante Wedin aus „Marstrand Deli“ - und der stolze Gewinner des Wochenende ist Alexander Stärnerz, Grand Hotel mit seinem „Sill i Dill“. Darauf einen Schnaps!

Bitte besuch http://sillenshelg.se/ für mehr Info über das Event.

 
 
 

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